www.impfbrief.de

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22.01.2013

Meningokokken-B-Impfstoff erhält Zulassung

Laut Pressemeldung des Herstellers (Novartis vaccines) hat die europäische Zulassungsbehörde EMA (http://www.ema.europa.eu) dem Meningokokken-B-Impfstoff Bexsero® die Zulassung für Säuglinge ab 2 Monaten erteilt. Wir werden ausführlicher berichten. (HTR)

Weiterführende Informationen:
EPAR
The Lancet vom 11. Januar 2013

Letzte Änderung: 2013-01-31 09:57:33

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31.01.2013

25.-27. April DGPI-Jahrestagung in Würzburg

Impfungen sind einer von fünf Schwerpunkten der 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, die in diesem Frühjahr in Würzburg ausgerichtet wird. Tagungspräsident ist Prof. Dr. med. Johannes Liese. Unter anderem wird diskutiert,

  • welches Impfprogramm gegen Influenza sinnvoll ist,
  • welche Entwicklungen bei den Impfung gegen Meningitis und Sepsis zu erwarten sind (Pneumokokken, Meningokokken und HiB) und
  • wie die Akzeptanz von Impfungen verbessert werden kann

Spezielle Aufmerksamkeit wird außerdem den Themen Antibiotika-Resistenz und Hygiene gewidmet.

Anmeldung und weiterführende Informationen: http://www.dgpi2013.de
(HTR)

Letzte Änderung: 2013-01-31 09:49:16

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19.02.2013

Keine Illusionen! Maserneliminierung in Deutschland

Aus Anlass eines Leitartikels der Ärztezeitung über die Maserneliminierung stellen wir einen Übersichtsartikel aus dem Impfbrief öffentlich zur Verfügung.

Durchimpfungsraten in Schleswig-Holstein - Update

Im Impfbrief Oktober 2009 berichteten H.-M. Bader und M. Ludwig über Impfraten bei Kindern in Schleswig-Holstein. Die Methodik wurde dort ausführlich beschrieben. Jetzt sind auf der Website des Schleswig-Holsteinischen Gesundheitsministeriums aktuelle Daten veröffentlicht worden, die verdeutlichen, welche Fortschritte in den vergangenen drei Jahren erreicht werden konnten – oder auch nicht. Zusätzlich zu den aktuellen Impfraten im Kindesalter und dem Schulalter wurden von den landeseigenen Arbeitsmedizinischen Diensten Daten über Erwachsenenimpfungen in der Arbeitswelt erhoben. Das geschah letztmalig 2003. Am gesamten Bericht oder in einem Teilbereich beteiligte Autoren sind H.-M. Bader, M. Ludwig, A. Heiser, D. Wichterich, R. Rasch, P. Egler, H. Harder und G. Schroeder.

Impfquoten nach KV-Abrechnungsziffern 2009 – 2011

Bei Kindern, die im Jahr 2009 geboren wurden, soll im Alter von 24 Monaten die Grundimmunisierung durch die Standardimpfungen laut Ständiger Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts abgeschlossen sein. Dieses Ziel werde auch in 2011 nicht erreicht, konstatieren die Autoren der Übersicht. Besonders deutlich zeige sich das bei den Komponenten der Sechsfachimpfung: Trotz geringer Verbesserung seit 2005 hätten immer noch knapp 20% der Kinder im Alter von 24 Monaten nicht den altersgemäßer Impfschutz (mind. 4 Impfdosen) aufgebaut (Tabelle 1 und 2), gegen Hepatitis B seien 24% der Kinder unvollständig immunisiert. Erst ab dem 3. Lebensjahr (2-5 Jahre) würden sich Quoten von 94% und höher bei Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Polio finden.
Die Verzögerung in den beiden ersten Lebensjahren ist am Beispiel der beiden Masernimpfungen dargestellt (Abbildung 1). Gegenüber dem Bericht aus dem Jahr 2009 (Impfbrief Oktober 2009 http://www.impfbrief.de/index.php?nav=30&uunav=413) ist leider nur ein geringfügiger Anstieg zu verzeichnen.

Demgegenüber werden die Impfungen gegen Pneumokokken und Meningitis C seit der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen im Oktober 2006 zunehmend breiter eingesetzt (Tabelle 2). Bei den Schulanfängern liegen die Impfraten dieser seit 5 Jahren empfohlenen Standardimpfungen noch deutlich niedriger, so die Autoren. Im Jahr 2011 wiesen 35,8% der angehenden ABC-Schützen mindestens eine Pneumokokkenimpfung auf, bzw. 6,4% waren mindestens 4 Mal geimpft. Die Impfung gegen Meningitis C hatten immerhin 73,8% der Einschüler erhalten.

Impfschutz bei Aufnahme in den Kindergarten Schleswig-Holstein 2011

Seit etwa 5 Jahren werden auch in Schleswig-Holstein zunehmend Kinder unter 3 Jahren in den Kindergarten aufgenommen. Diese Stichprobe umfasst daher einen anderen Altersbereich als die eingangs besprochenen Daten laut KV-Abrechnungsziffern. Der Altersbereich bei Aufnahme in die Gemeinschaftseinrichtung liegt zwischen 1 bzw. 2 Jahren und 5 Jahren. Dies wirkt sich vor allem auf die durchschnittliche Raten der zweiten Masernimpfung aus, da diese generell eher verzögert verabreicht wird. Nach Angaben der Autoren zeigte der neu in den Kindergarten aufgenommene Jahrgang 2011 landesweit wie in den letzten vier Jahren keinen Zuwachs der Rate für die zweite Masernimpfung. Erst ab dem dritten Lebensjahr stieg die Durchimpfungsrate bei den aufgenommenen Kindern deutlich an (79% auf 83,3%). Das läge jedoch zum dritten Mal seit 2008 unter dem damaligen Wert von 85,7%. Erst noch später - bei Einschulung - mit 6 Jahren hätten die Kinder dann zu 92,9% die zweite Impfung gegen Masern erhalten, zu 96,1% die erste Impfung (Schulgesundheitsbericht SH 2011/12)
Gegen Pneumokokken waren 2011 bereits 83,5% der Kinder bei Aufnahme in einen Kindergarten ausreichend geimpft und 83,2% gegen Meningitis C.

Tabelle 1: Impfschutzraten (%) bei Kindern bis 24 Monaten in SH 2011 (geboren 2009) in Abhängigkeit vom Alter nach KV-Ziffern-Abrechnung (U3 bis U7 komplett, n=14.938)

Tabelle 2: Impfschutz von Kleinkindern mit komplett durchgeführten U3 bis U7 nach KV-Abrechnungsziffern im Alter von 24 Monaten für die Jahre 2005 bis 2008 in Schleswig-Holstein; verändert nach H.-M. Bader und M. Ludwig.

Abbildung 1: Masernimpfung in Schleswig-Holstein 2009 bis 2011 nach KV-Abrechn.Ziffern von Kindern im Alter von 0 bis 27 Monaten (n=14.938) mit komplett durchgeführten U3 bis U7.

Impfschutz bei Schulkindern von Einschulung bis 8. Klassenstufe

Nach den aktuellen Erhebungen im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen 2010/11 wurde von 92,4% ein Vorsorgeheft vorgelegt. Von diesen Einschülern haben 95,2% an allen Vorsorgen (U3 bis U7) teilgenommen.
Im Jahr 2011 waren 92,9% aller Schulanfänger zwei Mal gegen Masern geimpft (2010: 92,3%). Bei Schulkindern (4. bis 8. Klassen) zeigen sich insbesondere bei den von der STIKO empfohlenen Auffrischimpfungen im Alter zwischen 9 bis 17 Jahren deutliche Impflücken. Eine detaillierte Übersicht geben D. Wichterich und R. Rasch ebenfalls auf der Website des Schleswig-Holsteinischen Gesundheitsministeriums.

Impfschutz bei Erwachsenen in der Arbeitswelt

Vom Dezember 2010 bis Dezember 2011 haben 28 Arbeitsmedizinische Dienste (AMD) in Schleswig-Holstein (SH) aus 2.538 Einsendungen 1.996 mit vorhandenem Impfausweis auswerten können, darunter 711 Impfausweise von Tätigen im Gesundheitsdienst. Es wurden Daten zum Impfschutz Erwachsener in der Arbeitswelt erhoben. Diese wurden verglichen mit der Ersterhebung 2003 (Bader und Egler: Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz, 2004 Dec;47(12):1204-15). Die Impfungen gegen Pertussis und Windpocken wurden 2011 zusätzlich in die Abfrage aufgenommen.

Seit 2007 wird ein verlässlicher Masernschutz nicht mehr nur dem Personal auf onkologischen und pädiatrischen Stationen empfohlen sowie in der Betreuung Immundefizienter, sondern generell für Beschäftigte im Gesundheitsdienst. Außerdem wurde die Impfempfehlung für das Personal in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und Kinderheimen auf das Personal sämtlicher Gemeinschaftseinrichtungen ausgeweitet. Im Jahr 2010 kam noch die Masernimpfung für unzureichend geimpfte Erwachsene, die nach 1970 geboren wurden, hinzu. Diese Empfehlungen sind mindestens in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen bei weitem nicht ausreichend umgesetzt (Abbildung 2). In jüngeren Altersgruppen tragen inzwischen die besseren Impfraten im Kindes- und Jugendalter wesentlich zu einer besseren Durchimpfung bei.

Abbildung 2: Anteil der Tätigen im Gesundheitsdienst, die mindestens eine Masernimpfung erhalten haben, aufgeschlüsselt nach Alter, Schleswig-Holstein 2011 im Vergleich zu 2003.

Der Hepatitis-B-Impfschutz des Personals im Gesundheitswesen habe sich im Vergleich zu 2003 in Schleswig-Holstein nicht verbessert, so die Autoren. Die Durchimpfungsrate betrage weiterhin durchschnittlich 78% über alle Altersgruppen zusammengefasst. Lediglich innerhalb der einzelnen Altersgruppen zeigten sich Verschiebungen von 2 bis 7 Prozentpunkte in beide Richtungen. In der Gesamtgruppe (einschließlich medizinischem Personal) beträgt die durchschnittliche Impfrate 52% über alle Altersgruppen. Wobei Beschäftigte unter 30 Jahren mit 73% wiederum besser durchimpft sind. Die Impfempfehlung für Personal mit Kontakt zu Blut und/oder möglichen HBsAg-Trägern besteht seit Jahrzehnten, Kindern und Jugendlichen wird die Impfung seit 1995 generell empfohlen.

Die Überprüfung der Impfpässe diente nicht allein der Datenerhebung. Von 2.538 Beschäftigten, bei denen eine Impflücke gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und/oder Polio festgestellt wurde, ließen 70% (1.780) die Impflücke schließen. Darüber hinaus wurden 151 Impfungen gegen Hepatitis B, 139 Impfungen gegen Hepatitis A und 80 weitere Impfungen verabreicht.

Die Autoren betonten, dass Betriebsärzte eine wichtige Lücke in der Impfprävention ausfüllen – wie es vom Nationalen Impfplan gefordert wird. (HTR)

Anmerkung: Die arbeitsmedizinische Erhebung wurde unterstützt durch die Firmen GlaxoSmithKline und Sanofi Pasteur MSD

Weiterführende Informationen:

Masern in Deutschland 

Masern- und Röteln-Überwachung in Europa: August 2011 bis Jui 2012

Steigerung von Impfraten durch elektronische Impfplaner - Teil II: Masernimpfschutz in Hausarztpraxen

Letzte Änderung: 2013-02-19 10:58:10

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01.03.2013

Neue und veränderte Zulassungen für Impfstoffe

In seiner Sitzung vom 19. bis 21. Februar hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zu folgenden Impfstoffen positive Gutachten (Positive Opinion) abgegeben:

  • Hexacima (SPMSD), 6fach-Impfstoff einzusetzen ab 6 Wochen bis zum Alter von 24 Monaten.
  • Hexyon (SPMSD), 6fach-Impfstoff einzusetzen ab 6 Wochen bis zum Alter von 24 Monaten.

Bereits am 13. Dezember gab der CHMP ein positives Gutachten dafür ab, den Impfstoff gegen Japanische Enzephalitis, Ixiaro (Intercell), bereits für Kinder ab 2 Monaten zuzulassen. Nach Meldung des Herstellers wurde die Zulassung jetzt erteilt. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-03-01 16:29:15

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01.03.2013

Aktuelle Daten zur Narkolepsie

Das Paul-Ehrlich-Institut aktualisierte am 28. Februar die national und international vorliegenden Daten zu Narkolepsie durch Pandemrix. Es fasst zusammen, dass neben den Ergebnissen aus Schweden die Ergebnisse weiterer retrospektiver epidemiologischer Studien in Finnland, Irland, Frankreich und England auf ein Narkolepsie-Risiko bei Kindern und Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen durch Pandemrix hinweisen. In Frankreich wurde ein Signal auch bei Erwachsenen detektiert, das durch weitere Untersuchungen bestätigt werden müsse.

  • Die Ergebnisse der internationalen standardisierten VAESCO-Studie könnten aufgrund zahlreicher Einschränkungen keine neuen Erkenntnisse beisteuern.
  • In Frankreich sei die Bedeutung möglicher Störfaktoren schwer einzuschätzen. Interessant ist das Signal für ein erhöhtes Risiko im Erwachsenenalter.
  • Die Ergebnisse in England wurden eventuell durch eine erhöhte Aufmerksamkeit im Zuge der Berichterstattung beeinflusst.

Das PEI fasst zusammen: "Es ist derzeit kein Mechanismus bekannt oder plausibel, wie eine Impfung eine so komplexe Erkrankung wie die Narkolepsie auslösen könnte. Die o.g. epidemiologischen Studien weisen auf ein Narkolepsie-Risiko nach Pandemrix-Impfung hin, auf das mittels regulatorischer Maßnahmen (Einschränkung des Anwendungsbereichs) reagiert wurde. Als bewiesen kann das Risiko bisher nicht gelten, weil ein plausibler physiologischer Mechanismus bei Mensch oder Tier nicht gefunden wurde." (HTR)

Letzte Änderung: 2013-03-01 16:37:00

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27.03.2013

PEI bewertet die Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen/-schäden für 2011

Im heute veröffentlichten Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1/2013, bewertet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Verdachtsmeldungen auf Nebenwirkungen oder bleibende Schäden durch Impfungen aus dem Jahr 2011. Gegenüber 2009 oder 2010 sind keine wesentlichen Unterschiede erkennbar.

In keinem der 1.778 Verdachtsfälle wurde der ursächliche Zusammenhang mit einem Impfstoff vom PEI nach den Kriterien der WHO als „gesichert“ beurteilt. Als „wahrscheinlich“, wurde er bei 4,4% der Fälle eingestuft, bei 46,3% als „möglich“ und bei 20,1% als „unwahrscheinlich“. In 29,2% der Fälle war keine abschließende Beurteilung möglich. In 6 Fällen mit tödlichem Ausgang hat das PEI einen ursächlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Impfung als „unwahrscheinlich“ bewertet.
Bei 443 Meldungen lag das Impfdatum vor dem 1.1.2011.

62 Meldungen betrafen Preflucel, hauptsächlich Überempfindlichkeitsreaktionen. Der Hersteller nahm daraufhin den Impfstoff im Oktober 2011 vom Markt und stellte die Herstellung um. Nach Neubewertung durch die EMA darf Preflucel nun wieder eingesetzt werden.

Wie das Beispiel Preflucel zeigt, sind möglichst großzügige Verdachtsmeldungen wichtiger Bestandteil der Impfstoff-Sicherheit. Insgesamt ist die Rate von Meldungen nach dem IfSG in den neuen Bundesländern höher als in den alten Bundesländern.

Das Bulletin zur Arzneimittelsicherheit wird vom PEI in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) herausgegeben. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-05-01 13:32:05

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02.04.2013

Informationen zu Mumps aktualisiert

Das Robert Koch-Institut hat den Abschnitt über Mumps im "Ratgeber für Ärzte" überarbeitet und im aktuellen Epidemiologischen Bulletin 13/2013 veröffentlicht. Wie in anderen Ländern wird auch in Deutschland eine Verschiebung des Erkrankungsalters hin zu älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen beobachtet. Mögliche Ursachen werden diskutiert. Dazu gehört auch eine Impfrate von etwa 50% für die zweifache Mumpsimpfung in dieser Altersgruppe.
Für den Fall eines Ausbruchs hat das RKI klare Vorgaben gemacht, wann und für wie lange ein Ausschluss  aus Gemeinschaftseinrichtungen vorzunehmen ist. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-04-02 15:06:42

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23.04.2013

Neue Tools der ECDC zur Europäischen Impfwoche (22.-27. April)

Die europäische Gesundheitsorganisation ECDC hat aus Anlass der Europäischen Impfwoche 22.-27. April 2013 zwei neue Tools veröffentlicht:

Eine interaktive Europakarte mit den regionalen Masern-Impfraten der vergangenen fünf Jahre (soweit verfügbar) sowie mit einem interaktiven Graph der Maserninzidenz.

Außerdem eine Übersicht über alle Impfkalender innerhalb Europas mit der Möglichkeit, diese vergleichend darzustellen. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-04-23 09:51:42

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28.04.2013

Deutschland: Maserneliminierung 2013 erneut misslungen

Deutschland hat erneut die Maserneliminierung verpasst. Die Schwelle von 1 Erkrankung auf 1 Million Einwohner wurde in diesen Tagen erneut überschritten (siehe Masernticker).

Eine Eliminierung kann laut Weltgesundheitsorganisation erst erklärt werden, wenn die Unterbrechung einheimischer Viruszirkulation in allen Mitgliedstaaten über drei Jahre nach festgelegten Kriterien nachgewiesen worden ist.

Zu den Strategien der Maserneliminierung gehört, dass allen nicht-immunen Personen eine "zweite Chance" zur Masernimpfung durch ergänzende Impfmaßnahmen gegeben wird, z.B. an Schulen. Multisektorielle Partnerschaften der Akteure im Impfwesen gehören ebenfalls dazu sowie eine verbesserte Surveillance (Labor- und Fall-basiert!). Auch eine bessere Verfügbarkeit hochwertiger Informationen zu Nutzen und Risiken der MMR-Impfung gehört zu den Schlüsselstrategien der WHO.

Im Epidemiologischen Bulletin 16/2013 hat das RKI ausdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, den aktuellen Impfempfehlungen entsprechend gegen Masern zu impfen. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-04-28 13:57:40

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28.04.2013

STIKO-Empfehlung zur Impfung gegen Rotaviren ist absehbar

Im Rahmen der DGPI-Konferenz 2013 kündigte Dr. Judith Koch (RKI) an, dass die Ständige Impfkommission im August 2013 (Epi Bull 34 und 35/2013) eine ausführliche Stellungnahme zur allgemeinen Impfung gegen Rotaviren für Säuglinge im Alter unter 6 Monaten veröffentlichen wird.

Auch wenn noch einzelne Stellungnahmen der beteiligten Akteure ausstehen, ist von einer positiven Bewertung auszugehen. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-04-29 07:36:39

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17.05.2013

Bewegung im deutschen Impfwesen: zentraler Hemmschuh bald entfernt

Die Finanzierung einer koordinierenden Geschäftsstelle für den Nationalen Impfplan, die die Bundesländer im Juni 2012 gefordert hatten, ist gesichert. Das Bundesgesundheitsministerium habe inzwischen eine Zusage zur hälftigen Teilfinanzierung der Geschäftsstelle gemacht, die andere Hälfte werde von den Ländern getragen, erläuterten der bayerische Gesundheitsminister Dr. Marcel Huber und Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack gestern während der abschließenden Podiumsdiskussion im Rahmen der 3. Nationalen Impfkonferenz (München, 15. - 16. Mai 2013).

Es würden sich derzeit drei Institutionen darum bewerben, die Geschäftsstelle zu übernehmen. Nach Minister Huber ist eine davon in Bayern. Wenn alles laufe wie vorgesehen, könne die Einrichtung und der Sitz der Geschäftsstelle bei der kommenden GMK-Konferenz im Sommer beschlossen werden.

Damit wäre ein großer Schritt getan, um innerhalb des weitgehend föderal organisierten und stark zersplitterten deutschen Impfwesens bundesweites koordiniertes Handeln zu ermöglichen - eine langjährige zentrale Forderung vieler Akteure. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-05-17 10:04:48

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21.05.2013

Impfungen bei Jugendlichen in den 6. bis 10.Klassen 2011 – ein Ländervergleich

Handlungsbedarf für eine nationale Impfstrategie
(öffentlich zugänglich aus Anlass der 3. Nationalen Impfkonferenz)

Gabriele Ellsäßer*, Gabriele Trost-Brinkhues**
* Abteilung Gesundheit im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg
** Kinder-und Jugendgesundheitsdienst im Gesundheitsamt der StädteRegion Aachen

Hintergrund

Die Impfprävention für Jugendliche nach den Empfehlungen der STIKO umzusetzen, ist eine besondere Herausforderung für das Gesundheitswesen. Um einen nachhaltigen Impfschutz aufzubauen, sind rund sieben Millionen 9- bis 18-Jährige mit jeweils ein bis zwei Auffrischimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis und Pertussis zu versorgen. Bei Schülerinnen steht ab dem Alter von zwölf Jahren die HPV-Grundimmunisierung an. Der individuelle Impfschutz muss für jeden aufgebaut, fehlende Standardimpfungen nachgeholt und neu eingeführte Impfungen etabliert werden (STIKO 2012)(1).

Nur hohe Durchimmunisierungsraten gewährleisten einen dauerhaften Schutz der Bevölkerung, die Eindämmung von Ausbrüchen und letztendlich die Eliminierung von Krankheitserregern(2). Beispielsweise sind 95% der Bevölkerung zweimalig gegen Masern zu impfen, um eine Populationsimmunität für nicht Geimpfte aufzubauen, so die WHO-Position(3). Von besonderer Bedeutung ist auch die Auffrischung der Pertussis-Immunität. Denn der Schutz vor Pertussis nach Impfung wie auch nach Wildvirus-Pertussis-Infektion hält durchschnittlich nur vier bis sieben Jahre an(4). Daher müssen Veränderungen im Impfkalender, wie die Verlagerung der ersten Pertussis-Auffrischimpfung (STIKO 2006)(5) in das Vorschulalter (5 bis 6 Jahre), gefolgt von einer zweiten Auffrischimpfung mit 9 bis 17 Jahren, auch in das medizinische Versorgungssystem implementiert werden. Noch ist das nicht ausreichend gelungen. Das medizinische Versorgungssystem ist darauf angewiesen, dass es von Jugendlichen aktiv aufgesucht wird. Im Schulalter wird aber nur eine gesetzlich finanzierte Vorsorgeuntersuchung im Alter von 12 bis 14 Jahren angeboten(6). Die Inanspruchnahmeraten sind, so die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys, mit rund 33% nur unzureichend(7).
Die kontinuierliche Überwachung (Surveillance) des Impfstatus der Bevölkerung und die Identifizierung hemmender und fördernder Faktoren der Impfakzeptanz sind Voraussetzung für die Realisierung einer Impfstrategie (Empfehlungen des National Vaccine Advisory Committee für die USA)(8). In Deutschland ist die Surveillance der Durchimmunisierung der Bevölkerung nur für die Schulanfänger, jedoch nicht für Jugendliche gesetzlich verankert (§ 34 Abs. 11 IfSG). Daher fehlen für das Jugendalter bundesweit aktuelle Informationen(9) und bis heute dienen noch die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys aus dem Zeitraum 2003 bis 2006 als Entscheidungsgrundlage. Einen Vergleich der Impfquoten in den 16 Bundesländern ermöglicht der bundesweite Survey nicht. Ebenso existieren keine bundesweiten Monitoringdaten zu den in den Folgejahren von der STIKO eingeführten Impfungen, wie der HPV-Impfung bei 12- bis 18-jährigen Mädchen (STIKO 2009)(10) oder der Meningokokken C-Impfung bei Jugendlichen (STIKO 2006)(11).

Daher war Ziel der vorliegenden Studie festzustellen, wie auf Länderebene durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) die Surveillance der Durchimmunisierung bei Jugendlichen umgesetzt wird und welcher Handlungsbedarf daraus abzuleiten ist. Ausgehend von einer Initiative des Fachausschusses Kinder- und Jugendgesundheit (KJG) im BVÖGD und von direkten Anfragen bei den Gesundheitsämtern bzw. Landesgesundheitsämtern wurde eine erste Analyse mit fünf Bundesländern in 2009(12) durchgeführt und diese mit einer erneuten Erhebung über die Landesämter in 2012(13) und 2013 aktualisiert.

Methodik

Es handelt sich um eine systematische Erhebung von verfügbaren Impfquoten aus landesweiten Surveillanceprogrammen zur Durchimmunisierung von Jugendlichen bezogen auf die Klassen sechs bis zehn (Altersgruppe 12 bis 16 Jahre). Der vorgegebene Dokumentationsstandard beruht auf den Standardimpfungen nach STIKO für das Kindes- und Jugendalter und differenziert nach vollständiger Grundimmunisierung (GI) und Anzahl der Auffrischimpfungen. Die Basis der Impfquoten ist die Anzahl der kontrollierten Impfausweise bezogen auf die Anzahl der untersuchten Jugendlichen in Prozent.

In den Vergleich wurden insgesamt 8 von 16 Bundesländern aufgenommen, da sie über ihre Gesundheitsämter in den letzten fünf Jahren weitgehend systematisch in den 6., 8. oder 10. Klassen die Impfausweise kontrollierten und die Daten kontinuierlich und zum Teil auch öffentlich zur Verfügung stellten. Im einzelnen: die fünf neuen Bundesländer Brandenburg (BB)(14), Mecklenburg-Vorpommern (M-V)(15), Thüringen (Th)(16), Sachsen (S)(17), Sachsen-Anhalt (S-A)(18), und die Länder Bayern (Ba)(19), Schleswig-Holstein (S-H)(20) und Nordrhein-Westfalen (NRW)(21). In Brandenburg lag der Schwerpunkt auf den 10. Klassen und den Schulabgängern. Daher sind Schüler aus den Gymnasien unterrepräsentiert. In NRW wurde gezielt der Impfstatus von Schülern an Schulen in sozialen Brennpunkten überprüft, da hier der ÖGD in der Betreuung von Schulkindern Schwerpunkte setzt. Diese Zielgruppe wird bei den Ergebnissen gesondert betrachtet. 

Darüber hinaus werden die Impfquoten mit Zielwerten zum wirksamen Aufbau einer Populationsimmunität in der Bevölkerung verglichen:

  • WHO und nationales Ziel 95% für die zweimalige Masernimpfung (MMR)(22),
  • größer 80% für die Meningokokken-C-Impfung(23) und
  • 90% für die Td-Pertussis-Auffrischimpfung(24).

Surveillancedaten insbesondere zu Pertussis und Masern werden zusätzlich mit einbezogen, um Zusammenhänge zwischen nicht ausreichenden Impfquoten und Erkrankungsgeschehen zu verdeutlichen.

Ergebnisse

In Bayern wurde mit rund 106.000 Kindern in den 6. Klassen die größte Population untersucht, in Schleswig-Holstein mit rund 3.000 Kindern in 6. Klassen die kleinste. Die Impfausweisquote der Schüler in den 6. bis 10. Klassen (Altersspanne 12 bis 16 Jahre) lag durchschnittlich bei 72,1% (ohne 8. Klasse S-H). Die höchsten Werte mit rund 85% wurden in Sachsen-Anhalt bzw. Sachsen erreicht und die niedrigsten Werte mit 64% in Schleswig-Holstein und 60% in Bayern festgestellt. Die Stichprobe von Sechst- bis Zehntklässlern in Haupt-, Grund- und Gesamtschulen von elf Kommunen in NRW erzielte mit rund 55% den niedrigsten Anteil der überprüfbaren Impfausweise (Abb. 1). Die Stichprobe der 8. Klassen in Schleswig-Holstein wurde bei den weiteren Ergebnissen nicht mehr einbezogen, da hier der Anteil der vorgelegten Impfausweise nur 38,8% erreichte.

Abb. 1: Ländervergleich: Vorgelegte Impfausweise in 6., 8., 10. Klassen im Schuljahr 2010/2011, in %, bezogen auf alle untersuchten Schüler

Während die 1. Tetanus-Auffrischimpfung bei Sechst- bis Zehntklässlern noch Durchimmunisierungsraten zwischen 81,0% (Minimum) in Bayern und 92,7% (Maximum) in Brandenburg erreichte, lag die 2. Tetanus-Auffrischimpfung auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Bei den Sechstklässlern in den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt lagen die Werte mit rund 34% nur leicht über der durchschnittlichen Impfquote des KiGGS (11-17 Jahre: 29,7%) und in der Stichprobe von Schleswig-Holstein (6. Klasse) mit 16,0% deutlich darunter. Mit zunehmendem Alter stiegen die Impfquoten auf Werte von 51,5% in Mecklenburg-Vorpommern (8. Klassen) und Brandenburg auf 67,6% in den 10. Klassen. In den sozialen Brennpunktschulen in NRW wurde mit 72,0% der höchste Wert erreicht (Abb. 2).

Abb. 2: Ländervergleich: 1. und 2. Tetanus-Auffrischimpfung bei Schülern 2010/11, in% Impfausweise

Die 1. Auffrischimpfung gegen Poliomyelitis ließ deutliche Länderunterschiede erkennen mit einer Spannbreite in den 6. Klassen zwischen 36,0% (Sachsen-Anhalt) und 72% (Schleswig-Holstein). Auch in den 8. Klassen wurden nicht höhere Werte als 70,2% (Thüringen) erreicht und in den 10. Klassen in Brandenburg waren nur zwei Drittel der Jugendlichen gegen Polio aufgefrischt (Abb. 3). Im Vergleich zu 2008/09 haben sich diese Impfdefizite nur im Land Sachsen leicht verringert (2008/09 54,4%).

Abb. 3: Ländervergleich: Auffrischimpfung gegen Poliomyelitis bei Schülern im Schuljahr 2010/11, in % Impfausweise

Niedrige Impfquoten wurden auch für die Pertussis-Auffrischimpfung festgestellt, die von der STIKO seit 2000 für das Alter von 9 bis 17 Jahren empfohlen wird. Unter Werten von 55% lagen die Impfquoten in den 6. Klassen von vier Bundesländern, einschließlich der Schüler in den sozialen Brennpunktschulen in NRW. Nur Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erreichten in den 8. und 10. Klassen höhere Durchimmunisierungsraten von 64% und 75%. (Abb. 4).

Abb. 4: Ländervergleich: Erste Auffrischimpfung gegen Pertussis bei Schülern im Schuljahr 2010/11, in % Impfausweise

Auf Grund der zu niedrigen Raten der Pertussis-Auffrischimpfung bei den älteren Schülern kann über die Pertussis-Surveillance in den neuen Bundesländern ein Erkrankungsgipfel bei den älteren 10- bis 15-jährigen Schulkindern und Jugendlichen (14 bis 19 Jahre) beobachtet werden. Dies wird beispielhaft für die Bundesländer Thüringen und Brandenburg vorgestellt (Abb. 5 und 6).

Abb. 5: Pertussis-Erkrankungen nach Altersgruppen im Land Thüringen, 2008 bis 2012, RKI Survstat 01.04.2013

Abb. 6: Pertussis-Erkrankungen nach Altersgruppen im Land Brandenburg, 2008 bis 2012, RKI Survstat 01.04.2013

Ausbruchsdaten aus Brandenburg zeigten für das Jahr 2012, dass Pertussis zu 78% die Familie betrifft und auch Säuglinge angesteckt wurden. Das entspricht internationalen Erfahrungen(25). Darüber hinaus wurden immer wieder Ausbrüche in Schulen beobachtet. Die deutlich höhere Durchimmunisierungsrate der Brandenburger Zehntklässler im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern wirkte sich bei diesen jedoch nicht in einer Reduktion des Krankheitsgeschehens aus. Im Gegenteil, die Surveillancedaten zeigten in den letzten vier Jahren eine Zunahme an Fällen bei den älteren Brandenburger Schülern und ebenso bei den jungen Erwachsenen(26) (Abb. 6).

Das nationale Ziel einer Impfquote von 95% für die zweimalige Masern-Impfung erreichten im Schuljahr 2010/11 sechs von acht Bundesländern mit Werten über 91%. Dabei zeigte ein Vergleich der Länder nach Klassenstufen, dass Raten über 92% bereits in den sechsten Klassen von drei Bundesländern erreicht werden konnten. Der Zeitvergleich zwischen dem Schuljahr 2008/09 und 2010/11 verdeutlicht, dass die Länder mit Impfquoten über 90% diese im Verlauf der letzten drei Jahre zum Teil noch verbessern konnten. Bayern und die Schüler aus den sozialen Brennpunktschulen in NRW lagen im gesamten Betrachtungszeitraum deutlich unter 90%, auch wenn sich hier eine steigende Tendenz abzeichnete (Abb. 7).

Abb. 7: Ländervergleich: Zwei Masern-Impfungen bei Schülern 2008/2009 und 2010/11, in% Impfausweise

Die Masern-Inzidenzen nach Altersgruppen für das Jahr 2011 (Abb. 8) verdeutlichen, dass hohe Durchimmunisierungsraten für eine zweimalige MMR-Impfung bereits ab 24 Lebensmonaten notwendig sind, um ungeimpfte Säuglinge und kleine Kinder im 2. Lebensjahr wirksam zu schützen(27).

Abb. 8: Masernerkrankungen in Deutschland pro 100.000 der Altersgruppe 2011; Quelle: RKI, SurvStat 20.03.2013

Die seit Jahren in Bayern noch unter 90% liegenden Impfquoten bei der zweimaligen Masern-Impfung lassen vermuten, dass die Populationsimmunität, gemessen an den WHO-Zielwerten von 95%, nicht ausreichend ist. Dies zeigt sich auch in den höheren Masern-Inzidenzen bei einem Vergleich der acht Länder für das Jahr 2011 (Abb. 9).

Abb. 9: Masernerkrankungen in Deutschland pro 100.000 nach Bundesländern 2011; Quelle: RKI, SurvStat 13.03.2013

Die in 2006 eingeführte Meningokokken-C-Impfung, auch als Nachholimpfung durch die STIKO empfohlen, wurde in der Praxis nicht ausreichend bei den Jugendlichen umgesetzt (Abb. 10)(28). Die Impfquoten lagen bei unter 74% und die Spanne zwischen den acht Bundesländern war mit 49,1% erheblich – dies auch bezogen auf die unterschiedlichen Klassenstufen. Besonders markant war der Unterschied von fast 50 Prozentpunkten in den 6. Klassen zwischen Sachsen (Maximum) und Schleswig-Holstein (Minimum). Auch bei den älteren Schülern in den 10. Klassen in Brandenburg waren fast 50% der Jugendlichen nicht gegen Meningokokken geimpft.

Abb. 10: Ländervergleich: Men C-Impfung bei Schülern 2010/11, in% Impfausweise

Die seit 1995 für alle Kinder bis zum Alter von 17 Jahren empfohlene Hepatitis-B-Impfung lag auf einem deutlich höheren Niveau als die Auffrischimpfungen und die Unterschiede zwischen den Ländern waren deutlich geringer (Abb. 11). Die Prozentunterschiede lagen bei 10% (Spanne 84,1% bis 95,2%) bzw. bei 5% (85,4% bis 91,0%) bezogen auf die 6. Klassen und 8. Klassen. Die höchsten Impfquoten mit fast 95% wurden bereits in den 6. Klassen in Sachsen erreicht, während im Land Brandenburg bei den älteren Schülern in den 10. Klassen die niedrigsten Impfquoten mit rund 80% festgestellt wurden.

Abb. 11: Ländervergleich: Vollständige Hepatitis-B-Impfung bei Schülern 2010/2011, in% Impfausweise

Die HPV-Grundimmunisierung bei Mädchen im Jahr 2009, von der STIKO für alle Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren empfohlen, erzielte nur niedrige Durchimmunisierungsraten (Abb. 12). Bezogen auf die verschiedenen Klassenstufen wurde ein markanter Altersunterschied deutlich. Während in den 6. Klassen Mädchen in Sachsen und Sachsen-Anhalt zu 99% nicht grundimmunisiert waren, holten die Mädchen mit zunehmendem Alter (8. und 10. Klasse) etwas auf. Der Regionalvergleich innerhalb Brandenburgs zeigte darüber hinaus, dass auch erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen bestand (Maximum 51,0% vs. Minimum 26,8%)(29).

Abb. 12: Ländervergleich: Vollständige HPV-Impfung bei Schülern 2010/11, in% Impfausweise

Diskussion

Impfausweise wurden von Jugendlichen zu den Checks des ÖGD in den 6. bis 10. Klassen häufig nicht mitgebracht. Im Vergleich zum Zeitpunkt der Einschulungsuntersuchung im Jahr 2010 (92%)(30) fast um 30 Prozentpunkte weniger. Dabei waren die Unterschiede auch innerhalb der Bundesländer erheblich. Beispielsweise variierten die Impfausweisquoten unter den Kreisen in Sachsen-Anhalt zwischen 71,4% und 89,7%(18). In Schleswig-Holstein lag die Impfausweisequote in den 8. Klassen mit rund 39% am niedrigsten, während in den 6. Klassen noch fast zwei Drittel der Schüler die Impfausweise mitbrachten. Auffallend ist, dass sich die Achtklässler in Thüringen anders verhielten als in Schleswig-Holstein und über 80% der Schüler die Impfausweise mitbrachten. Kinder- und Jugendärzte in den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten berichten, dass es stark von den Lehrern und Schulleitungen abhängt, ob die Schüler ihre Impfausweise mitbringen. Eine ähnliche Situation wurde bei der Impfaktion „Pimp your life“ in Brandenburg festgestellt(31).

Die im Vergleich zu den Einschulungsuntersuchungen deutlich niedrigeren Quoten von vorgelegten Impfausweisen bei den älteren Schülern stellen eine Limitation für die Bewertung der ermittelten Werte der acht Bundesländer dar. Der Ländervergleich verfolgt daher das Ziel, die besonderen Handlungsbedarfe bei der Umsetzung der Impfempfehlungen der STIKO bei älteren Schülern zu identifizieren.
Die Länderdaten lassen erkennen, dass die Impfempfehlungen bei allen Auffrischimpfungen nicht ausreichend umgesetzt sind, auch wenn noch bis zum 18. Geburtstag die Möglichkeit besteht, geimpft zu werden. Auffallend niedrig lagen die Impfquoten für die 2. Tetanus-Auffrischimpfung, die auch bei den Brandenburger Zehntklässlern – im Durchschnitt 16 Jahre alt – noch bei rund einem Drittel fehlte. Ähnlich unzureichend wurde die STIKO-Empfehlung für die Polio-Auffrischimpfung umgesetzt. Rund 40% der Jugendlichen erhielten diese Impfung in den Bundesländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Bayern bisher nicht. Zu befürchten ist, dass eine ganze Reihe von Jugendlichen einen kompletten Individualschutz bis zur Schwelle des Erwachsenenalters nicht erreicht, auch wenn der eine oder andere verletzungsbedingt eine Auffrischung gegen Tetanus bzw. kombiniert gegen Diphtherie erhalten könnte. Das neue Angebot der Jugendvorsorgeuntersuchung (J2) wird die Situation nicht grundlegend verändern, da es sich hier um eine individuelle Gesundheitsleistung handelt, die die Familien privat bezahlen müssen. Dies stellt eine hohe Schwelle dar.

Die Pertussis-Auffrischimpfung hatte sich nur in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern besser etabliert(9) – jedoch fehlte auch dort bei 25 bis 35% der Jugendlichen die Auffrischung. Da der Pertussis-Impfschutz bekanntermaßen nach vier bis sieben Jahren nachlässt(4), können die Jugendlichen keinen stabilen Immunschutz bis in das junge Erwachsenalter aufrechterhalten. Gerade junge Familien benötigen eine wirksame Immunisierung, damit keine Übertragung des Erregers auf den nicht geschützten Säugling erfolgt und dieser nicht an einem lebensbedrohlichen Atemstillstand stirbt(32). Der Bericht zur Impfsituation bei Kindern im Vorschul- und Schulalter in Sachsen-Anhalt wies auf diese eklatante Impflücke bei über 50% der Sechstklässler hin, die sich in den letzten Jahren sogar vergrößerte (2006/07 43,1% vs. 2010/11 51,9%). Ähnlich besorgniserregend ist die im Jahr 2011 unzureichende Umsetzung der 1. Pertussis-Auffrischimpfung im Alter zwischen fünf und sechs Jahren mit Werten von 43,7% in Mecklenburg-Vorpommern(15), 32,9% in Brandenburg(14) und 11,2%(20) in Schleswig-Holstein.

Die Pertussis-Surveillance(33) in diesen Bundesländern zeigte einen Altersgipfel bei den 10- bis 15-jährigen Schulkindern. Hellenbrand et al. stellten in weiteren Analysen fest, dass die Jugendlichen zum Teil ungeimpft bzw. nicht ausreichend gegen Pertussis immunisiert waren(34). Auch verbesserten die hohen Inanspruchnahmeraten der U9 bei den Brandenburger Einschülern nicht maßgeblich ihren Pertussis-Impfstatus, so die Daten aus der Gesundheitsberichterstattung des Landes Brandenburg(35). Gerade die Anbindung von Auffrischimpfungen an die Früherkennungsuntersuchung U9 wäre zur Förderung der Impfquoten sinnvoll, so die Empfehlung von Terhardt im Schwerpunktheft des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V. anlässlich von 40 Jahren Früherkennungsuntersuchungen(36).

Eine positive Entwicklung lässt sich hingegen bei der Durchimmunisierung der Kinder und Jugendlichen gegen Hepatitis B feststellen(28). Inzwischen profitieren die jüngeren Jahrgänge von den Möglichkeiten der Kombinationsimpfung im Säuglingsalter. Die Einschüler erreichten im Jahr 2010 inzwischen Raten über 90% und ähnlich hoch lagen auch die Raten bei den Sechstklässlern in Schleswig-Holstein, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Diese insgesamt positive Entwicklung spiegelt sich auch in einem Rückgang der Hepatitis-B-Erkrankungen wider, wie für das Land Brandenburg nachgewiesen werden konnte(37).

Die zweimalige Masernimpfung hat sich in sechs der acht Bundesländer auch bei den älteren Schülern mit Werten über 90% gut etabliert. Unter 90% lagen weiterhin die Impfquoten in Bayern und auch bei den Schülern von Schulen in sozialen Brennpunkten aus NRW. Die nicht ausreichende Durchimmunisierung der bayerischen Bevölkerung zeigte sich dort in der deutlich höheren Erkrankungsinzidenz(38) im Vergleich zu den anderen sieben Bundesländern und dadurch bedingten Ausbrüchen(39). 

Die im Jahr 2006 von der STIKO neu eingeführte Meningokokken-C-Impfung ist insbesondere für die Risikogruppe der Jugendlichen von Bedeutung, die lebensbedrohlich an Meningokokken erkranken können(40). Daher hat die STIKO diese Impfung als Nachholimpfung bis zum Alter von 17 Jahren empfohlen. Während Einschüler bereits im Jahr 2010 in den neuen Bundesländern Impfquoten von über 80% erreichten(28), lag diese bei den Jugendlichen erheblich darunter mit zum Teil sehr niedrigen Werten von 30%. Hier wirkte sich besonders nachteilig aus, dass diese Impfung nicht als Catch-Up-Impfung in Deutschland eingeführt wurde(41).

Die HPV-Impfung war bei den 12- bis 16-jährigen Mädchen die am schlechtesten umgesetzte Impfung(28). Trotz wissenschaftlicher Evidenz der Wirksamkeit dieser Impfung(42) ist sie in Deutschland im System der hausärztlichen und gynäkologischen Versorgung schwer zu etablieren. Wie eine aktuelle Befragung von Brandenburger Hausärzten ergab, lehnen diese die HPV-Impfung zum Teil ab und verweisen an die niedergelassenen Gynäkologen. Gerade in ländlichen Gegenden fehlen diese Fachärzte und so entstehen Versorgungsengpässe für die HPV-Impfung(43).

Schlussfolgerungen

Die nationale Impfstrategie sollte die verfügbaren Daten der Länder zu Impfquoten bei Jugendlichen nutzen und zielgerichtete Handlungsempfehlungen für die Impfpraxis von Jugendlichen geben. Die Daten zeigen, dass das ambulante medizinische Versorgungssystem die Jugendlichen nicht ausreichend erreicht.

  • Die Kooperation mit dem ÖGD zur systematischen Überprüfung der Impfausweise in Schulen, die Identifizierung von Impflücken, gezielte Beratung und der Weiterverweis an die niedergelassenen Hausärzte bzw. Kinder- und Jugendärzte, um Impfungen nachholen zu lassen, sind wichtige Motivationsgeber.
  • Catch-Up-Programme sind notwendig, um neu eingeführte Impfungen, aber auch Nachholimpfungen zu fördern und im Gesundheitssystem zu implementieren.
  • Hausärzte sind verstärkt über die Notwendigkeit von Impfungen bei Kindern und Jugendlichen zu informieren, um Vorbehalte gegenüber bestimmten Impfungen abzubauen (HPV-Impfung). Sie sind die im ländlichen Raum entscheidenden versorgenden Impfärzte und sollten daher konsequent alle Impfungen für das Jugendalter anbieten.
  • Konzertierte Aktionen und zentrale Einladungen auch zur J1-Vorsorgeuntersuchung wie in Brandenburg können Jugendliche unterstützen, den niedergelassenen Kinder- und Jugendarzt oder Hausarzt aufzusuchen.

Gemeinsames Ziel ist, einen vollständigen Impfschutz gerade auch für Jugendliche vor dem Tor ins Erwachsenenleben aufzubauen.

Besonderen Dank gilt der Unterstützung durch die folgenden Institutionen bzw. Arbeitsgruppen: Frau Borrmann (Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt), Frau Paulick (Gesundheitsamt Dresden), Frau Dr. Wichterich (AG der Kinder- und Jugendärztlichen Dienste Schleswig-Holstein), Herr Cramer/Dr. Woelk (Thüringer Landesverwaltungsamt), Frau Lerche/Dr. Littmann (Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern), Frau Dr. Ludwig/Frau Dr. Nennstiel-Ratzel (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit), Herr Simon (Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen), Frau Hohlfeld, Frau Siffczyk (Abt. Gesundheit LUGV Brandenburg) - und Herrn Prof. Schneeweiß für die Beratung im Vorfeld.

Literaturverzeichnis

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  4. Wendelboe AM, Van Rie A, Salmaso S, Englund JA (2005) Duration of immunity against pertussis after natural infection or vaccination. Pediatric Infectious Disease Journal 24(5)Suppl: 58–61. CrossRef MEDLINE
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  8. Centers for Disease Control and Prevention (2011) General Recommendations on Immunization, Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP), MMRW, 60/2:1-64
  9. Ellsäßer G (2009) Aktuelle Impfdefizite bei Jugendlichen – ein Ländervergleich für 2007/2008. Der Impfbrief-online, www.impfbrief.de, Ausgabe Nr. 26
  10. Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2009) Impfung gegen HPV – Aktuelle Bewertung der STIKO, Epidemiologisches Bulletin 30: 319-338
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  13. Ellsäßer G (2013) Impfung von Jugendlichen. Was tut der ÖGD, Vortrag/19. Kongress für Jugendmedizin, www.gesundheitsplattform.brandenburg.de
  14. Abteilung Gesundheit im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Indikatoren zu impfpräventablen Erkrankungen und Impfungen bei Kleinkindern, Einschülern und Zehntklässler, http://www.gesundheitsplattform.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=bb2.c.678576.de
  15. Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2011) Impfreport 2010 /2011 Mecklenburg-Vorpommern bei Einschülern sowie Kindern und Jugendlichen der 4. und 8.Klassen, Rostock
  16. Thüringer Landesverwaltungsamt (Hrsg.) Referat 550, www.thueringen.de
  17. http://www.gesunde.sachsen.de/download/Download_Gesundheit/Durchimmunisierungsraten.pdf
  18. Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt (Hrsg.) Impfsituation bei Kindern im Vorschul- und Schulalter Sachsen-Anhalt 2011, Magdeburg 2012
  19. Bayrisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Hrsg.) (2012) Gesundheitsreport Bayern. Der Impfstatus der Kinder in Bayern – Update 2012, Erlangen, http://www.lgl.bayern.de/publikationen/index.htm#gesundheitsberichterstattung
  20. Hans Martin Bader, Impfschutz in Schleswig Holstein 2011. Darstellung der Ergebnisse in Tabellen und Abbildungen, Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung (Hrsg.) Kiel 2012, http://www.schleswig-holstein.de/MSGFG/DE/Gesundheit/Gesundheitsschutz/InfektionsschutzImpfungen/ImpfquotenSH blob=publicationFile.pdf
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  22. World Health Organisation (Hrsg.) (2009) Measles vaccines:WHO position paper, Weekly epidemiological record, No. 35, 84: 349–360, http://www.who.int/wer
  23. Centers for Disease Control and Prevention (2005) Prevention and Control of Meningococcal Disease, Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP), Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR), 54 /7: 1-28
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  25. Pertussis - Krankheit und Impfprophylaxe (2012), Der Impfbrief-online, www.impfbrief.de, Ausgabe Nr. 58
  26. LUGV, Abteilung Gesundheit (2013) Infektionsgeschehen 2012 im Land Brandenburg In: Brandenburgisches Ärzteblatt (Hrsg.) S. 32,http://www.laekb.de/40presse/20Aerzteblatt/10Titelseite/baeb_Mitteilungsblatt.pdf
  27. Bader H-M und Ludwig M (2013) Durchimpfungsraten in Schleswig-Holstein – Update, Der Impfbrief-online, www.impfbrief.de, Ausgabe Nr. 69
  28. Ellsäßer G, Picker J (2013) Impfraten bei Kindern und Jugendlichen in Brandenburg, Der Impfbrief-online, www.impfbrief.de, Ausgabe Nr. 71
  29. www.gesundheitsplattform.brandenburg.de
  30. Robert Koch-Institut (Hrsg.) Impfquoten bei der Schuleingangsuntersuchung in Deutschland 2010, Epidemiologisches Bulletin 16/2012:135-139
  31. Ellsäßer Gabriele, Berndt Detlef, Weinke T, Schneeweiß Burkhard (2011) „Pimp your life“: Neue Wege in der Impfprävention von Jugendlichen. In: 2. Nationale Impfkonferenz, Impfen – Wirklichkeit und Visionen, Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren (Hrsg.), S. 97-98, Stuttgart
  32. Schneeweiß Burkhard (Hrsg.) Impfen in der Praxis, Uni-med verlag AG, Bremen 2007
  33. Robert Koch-Institut, SurvStat, 2013
  34. Hellenbrand Wiebke, Beier Dietmar, Jensen Evelin, Littmann Martina, Meyer Christiane, Oppermann Hanna, Wirsing von König Carl-Heinz, Reiter Sabine (2009) The epidemiology of pertussis in Germany: past and present. BMC Infectious Diseases 2009, 9:22, www.biomedcentral.com/1471-2334/9/22
  35. Unterarbeitsgruppe Impfprävention im Bündnis Gesund Aufwachsen, Protokoll der Februarsitzung 2013, www.bündnis-gesund-aufwachsen.de
  36. Terhardt Martin (2012) Das Impfen – wichtiger primärpräventiver Bestandteil der pädiatrischen Früherkennungsuntersuchungen. In: Früherkennungsuntersuchungen / BVKJ-Schwerpunktthema, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (Hrsg) S.60-62, Köln
  37. Ministerium für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz (Hrsg) (2012) Infektionsreport 2012 des Landes Brandenburg, Potsdam
  38. Robert Koch-Institut (Hrsg.) Aktuelle Epidemiologie und Erfahrungen aus Ausbruchsuntersuchungen Epidemiologisches Bulletin 2010/2011
  39. Knuf M (2010) Ein hochgestecktes Ziel: Ist die Ausrottung der Masern gefährdet? Kinderärztliche Praxis Sonderheft 5:25-27
  40. CDC (Hrsg)Prevention and Control of Meningococcal Disease,Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP), Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR) 54/RR-7: 1-17
  41. Ellsäßer et al. Brandenburg (2011) Ein Drittel der Schüler lässt sich sofort impfen, Der Impfbrief-online, www.impfbrief.de, Ausgabe Nr. 48
  42. Brotherton J et al. (2011) Early effect of the HPV vaccination programme on cervical abnormalities in Victoria, Australia: an ecological study, Lancet 377:2085-92
  43. Projektbericht, siehe Protokoll der Februarsitzung 2013 der Unterarbeitsgruppe Impfprävention im Bündnis Gesund Aufwachsen des Landes Brandenburg, www.buendnis-gesund-aufwachsen.de


Letzte Änderung: 2013-08-19 13:00:48

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28.05.2013

Trotz Erkältung impfen? Neue Kriterien für die ärztliche Praxis

Die Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutsche Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin e.V.(DAKJ) hat am 25. Mai 2013 ihren Vorschlag zur Umsetzung in der Impfpraxis aktualisiert.

Unter anderem hat sie anhand von drei Krierien definiert, wann eine Infektion als "banal" anzusehen ist. Zudem rät sie dazu, innerhalb von 2 bis 3 Tagen die Infektion und damit die Impffähigkeit neu zu beurteilen.

Die aktualisierte Empfehlung gibt impfenden Ärztinnen und Ärzten mehr Sicherheit in der täglichen Praxis. Die Erfahrung in der Praxis zeige, dass Kinder wegen wiederholter banaler Atemwegsinfektionen, v.a. im Winterhalbjahr, oftmals verzögert geimpft würden, so die Kommission. Es werde befürchtet, die vermeintlich „banale Infektion“ könne in einzelnen Fällen der Beginn einer komplizierten Infektionskrankheit sein. Ein ungünstiger Verlauf in zeitlicher Koinzidenz könnte dann von den Eltern der vorausgegangenen Impfung und damit dem Arzt angelastet werden. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-05-28 10:44:31

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29.05.2013

Rückruf Td-pur der Charge 064031A

Am 29.5. 2013 gab das PEI per Rote-Hand-Brief bekannt, dass Novartis Vaccines & Diagnostics vorsorglich die Charge 064031A des Impfstoffes Td-pur (Einzelpackungen mit Fertigspritze ohne Kanüle PZN 07566584) zurückruft. Anlass seien zwei Kundenbeanstandungen mit deutlich sichtbaren Rissen im Glaskörper direkt an der Fingerauflage der Spritze. Ein möglicher Verlust der Sterilität könne nicht ausgeschlossen werden.

Alternative Kombinationsimpfstoffe siehe Übersicht im Impfbrief Januar 2012 . (HTR)

Letzte Änderung: 2013-05-29 12:09:02

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27.06.2013

Protokolle der STIKO zum Download

In ihrer März-Sitzung (2013) hat die STIKO beschlossen, die Sitzungsprotokolle auf den Internetseiten des Robert Koch-Instituts öffentlich zugänglich zu machen.

Die Protokolle werden jeweils nach Verabschiedung auf der nachfolgenden STIKO-Sitzung veröffentlicht. Die Serie beginnt daher mit dem Protokoll der 74. STIKO-Sitzung vom November 2012, das diesen März verabschiedet wurde. (HTR)

Kommentar

Die STIKO geht damit konsequent ihren Weg zu größtmöglicher Transparenz
und nachvollziehbaren Entscheidungen weiter. Unter anderem wird aus dem
Protokoll ersichtlich, wann Mitglieder wegen möglicher Befangenheit beim
aktuellen Diskussionspunkt den Raum verlassen. Langfristig ist es dem
Gremium sehr zu wünschen, dass sich dieser sicher nicht immer leichte
Weg in gestärktem und sogar zurückgewonnenem Vertrauen in der
Bevölkerung auszahlt. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-06-27 17:09:06

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27.06.2013

Öffentliche Impfempfehlungen der Länder jetzt gesammelt einsehbar

Impfungen liegen in der Länderhoheit und erst die "öffentliche Empfehlung" einer Impfung ist rechtlich bindend, auch im Hinblick auf Entschädigung im Falle eines wahrscheinlichen Impfschadens. Im Prinzip folgen alle Bundesländer den Empfehlungen der STIKO, dennoch gibt es aus verschiedensten Gründen einzelne regionale Ausnahmen.

Unter Brandenburgs Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz sind nun auf den Internetseiten des RKI alle öffentlichen Impfempfehlungen der einzelnen Bundesländer verlinkt. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-06-27 17:11:08

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04.07.2013

STIKO empfiehlt generelle Impfung gegen Rotaviren

Im aktuellen Bundesgesundheitsblatt 7/2013 vom 1. Juli 2013 veröffentlichte die Ständige Impfkommission die Empfehlung, dass alle Säuglinge gegen Rotaviren geimpft werden sollen. Die Impfserie von je nach Impfstoff 2 oder 3 Dosen soll zwischen einem Alter von 6 bis 12 Wochen und bis zur vollendeten 24. bzw. 32. Lebenswoche gegeben werden. Eine öffentlich zugängliche deutsche Version der Empfehlung wurde unter www.stiko.de hinterlegt. Derzeit erscheint der Link zwar in Englisch, der verlinkte Artikel ist jedoch in deutscher Sprache. Die Impfung sei nicht kostensparend, da der Preis der Impfstoffe realtiv hoch sei, könne jedoch verhindere jedoch Krankenhausaufenthalte von Säuglingen und Kleinkindern deutlich reduzieren. Daher solle allen Eltern die Möglichkeit zur Impfung gegeben werden, so die kurze Begründung. Eine ausführliche Begründung in deutscher Sprache würde im Epidemiologischen Bulletin 35/2013 veröffentlicht. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-07-04 15:19:24

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04.07.2013

Impfpflicht oder Impfmanagement?

Aus Anlass der aktuellen Diskussion zur Impfpflicht gegen Masern, stellen wir einen Artikel aus der Ausgabe Impfbrief Juli 2009 öffentlich zur Verfügung:

Diese Frage wird in den vergangenen Jahren in Deutschland verstärkt diskutiert. Wichtige Beiträge zu diesem Themenkreis wurden im Rahmen der 1. Nationalen Impfkonferenz (Mainz 2009) geliefert. So beleuchtete Sieghardt Dittmann (Berlin) in seinem Vortrag die Frage, ob eher eine Impfpflicht Deutschland bessere Impfquoten bescheren könnte oder ein Impfmanagement. Georg Marckmann (Tübingen) lotete hingegen die ethischen Fragestellungen rund um staatliche Impfmaßnahmen aus.

Impfraten in Deutschland

Deutschland hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte bei der Realisierung von Impfprogrammen erzielt. Die kontinuierliche Arbeit der STIKO hat dazu wesentlich beigetragen. Dennoch ist Deutschland vom WHO-Ziel der Masernelimination noch weit entfernt, auch Impfraten gegen Pertussis und Hepatitis B sind nur suboptimal. Unbefriedigend ist der Impfschutz insbesondere bei Jugendlichen und hinsichtlich der Auffrischimpfungen für Erwachsene. Zwischen den Bundesländern und innerhalb dieser gibt es erhebliche Abweichungen in den Impfstrategien und deren Realisierung. Die Daten des KIGGS zeigen deutlich, dass zu spät geimpft wird (s. Tabelle 1). Regional können Impfquoten zudem weit unter dem nationalen Durchschnitt liegen, was sich nicht zuletzt in immer wiederkehrenden Krankheitsausbrüchen manifestiert.

Pflichtimpfungen weltweit

Ein Blick über die Grenze kann bei der Entscheidung helfen, ob eine Impfpflicht für Deutschland Vorteile bringen könnte. Außer in Osteuropa gibt es weltweit jedoch kaum Pflichtimpfungen. Die Länder des ehemaligen "Warschauer Paktes" haben die Pflicht für Impfungen des Impfkalenders beibehalten (z.B. Nachfolgestaaten der UdSSR, Polen, Ungarn, Tschechei, Bulgarien). Auch in wenigen westeuropäischen Ländern gibt es aus historischen Gründen noch vereinzelt Pflichtimpfungen (z.B. Polio in Belgien, DT, IPV, HBV in Italien). Außerhalb Europas gibt es Pflichtimpfungen beispielsweise in Ägypten (DPT, Polio, HBV), Taiwan (Japanische Enzephalitis und einige Kinderimpfungen), Saudi Arabien (Polio) und die BCG-Impfung in einigen Ländern, u.a. Japan.

No vaccination - no school

Die Republik Korea hatte als Antwort auf eine Masernepidemie 1991 die Masernimpfung als Pflichtimpfung bei Schuleintritt deklariert. Korea ist es damit gelungen, dem Ziel der Masernelimination sehr nahe zu kommen. Das Regionalbüro der Westpazifischen WHO-Region empfahl Korea deshalb den Mitgliedsländern als Beispiel. Übertragen auf die Verhältnisse eines westlichen Industriestaates muss dieses Modell jedoch nicht unbedingt genauso gut funktionieren. Unter dem Stichwort "No vaccination - no school" werden die USA gerne als Vorbild für Deutschland angeführt. So einfach wie dieser Slogan vermuten lässt, wird die Impfpflicht jedoch keineswegs umgesetzt. Zwischen den einzelnen Bundesstaaten gibt es erhebliche Differenzen:

  • bezüglich des Geltungsbereich einzelner Impfungen ("zugelassene Kinderbetreuung", Kindergarten, Grundschule; Boosterimpfungen auch teilweise für Schüler höherer Klassen / Studenten);  
  • bezüglich des Aufforderungsgrades (Impfung "empfohlen" oder "gefordert");
  • bezüglich der Ausnahmen - medizinisch, religiös (in 48 Bundesstaaten), philosophisch (in 20 Bundesstaaten);
  • bezüglich dem Verfahren bei Ausnahmen (per Unterschrift, notariell beglaubigt, als Brief an das Gesundheitsamt).

Die Entscheidung, ob ein ungeimpftes Kind eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen darf, liegt in den USA letztendlich beim Gericht.

Bestrebungen für eine Impfpflicht in Deutschland

In Deutschland gab es bereits mehrfach Aufforderungen aus der Ärzteschaft, die Impfpflicht einzuführen. Beispielsweise forderte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) im Juni 2005 die Bundesländer auf, die Aufnahme von Kindern in Krippen, Kindergärten und Schulen von einem kompletten, nach STIKO-Empfehlungen durchgeführten Impfschutz abhängig zu machen. Des Weiteren kam es auf dem 109. Ärztetag 2006 zu der Entschließung, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, umgehend die Masernimpfung in Deutschland nach §20 Abs. 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) als Pflichtimpfung vorzusehen. Die zuständigen Länderministerien wurden zudem aufgefordert, Rechtsbestimmungen zu erlassen, dass in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Schulen etc.) nur Kinder mit vollständigem Impfstatus aufgenommen werden dürfen.

Diese Aufforderungen blieben bislang jedoch ohne Konsequenzen. Eine Ursache liegt sicher darin, dass die rechtlichen Hürden für eine Impfpflicht in Deutschland hoch sind. In §20 Abs. 6 des IfSG heißt es, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen [...] teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. In §20 Abs. 7 heißt es weiter, dass die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Abs. 6 ermächtigt sind, solange das BMG von der Ermächtigung keinen Gebrauch macht.

Nach Einschätzung von Dittmann ließe sich auf dieser rechtlichen Grundlage beispielsweise eine Pflichtimpfung gegen Masern keinesfalls umsetzen, allein schon die Zustimmung des Bundesrates hält er für unrealistisch. Als Alternative plädiert er hingegen für ein Impfprogramm mit qualifiziertem Management.

Impfmanagement ist charakterisiert durch

  • Planung und Zielvorgabe: Impfziele
  • zielgerichtete Information und Kommunikation
  • Surveillance der Zielkrankheit auf kommunaler, regionaler, Länder- und Bundesebene
  • altersbezogenes Monitoring der Impfquoten auf diesen Ebenen
  • Koordination durch den Gesundheitsdienst

Erfolgreiches Impfmanagement

Es gibt eine Reihe von europäischen Ländern, in denen Impfmanagement gut funktioniert. So weisen beispielsweise Holland, Finnland, Schweden, Island und Großbritannien Impfquoten zwischen 92 und 99% auf. (Ausnahme ist allerdings die Masernimpfung in Großbritannien, für die nur 82% für die erste MMR-Impfung erreicht werden und nur 75% für die zweite.) Die beachtlichen Erfolge qualifizierten Impfmanagements sind in Latein- und Nordamerika zu beobachten, so erreichen etwa die USA, Brasilien, Chile und viele andere lateinamerikanamerikanische Staaten Impfquoten von 92-98% und der Kontinent gilt als weitgehend frei von einheimischen Masern.

Ein Schlüssel zu einem erfolgreichen Impfmanagement ist die Überwachung von Impfquoten und -lücken auf allen administrativen Ebenen und die Ableitung korrigierender Maßnahmen. In vielen Ländern gibt es computergestützte Meldungen von Impfdaten an die verschiedenen Ebenen der Gesundheitsverwaltung, bevorzugt der Kinder im Alter von 24 und/oder 36 Monaten. In den USA werden im Rahmen des nationalen Informationssystems randomisiert in ausgewählten Haushalten Telefoninterviews durchgeführt, die durch Interviews der zugehörigen Ärzteschaft ergänzt werden. Auch hier liegt der Fokus auf den Kleinkindern im Alter von 19 bis 35 Monaten, es werden aber auch Impfdaten anderer Altersgruppen, beispielsweise Jugendlicher, erhoben.  

Weiterer Bestandteil ist eine Impfkonferenz. Föderal strukturierte Länder wie die USA, Kanada oder Australien führen periodisch (jährlich oder alle zwei Jahre) nationale Impfkonferenzen durch, um nationale Impfprogramme intern abzustimmen. Im Rahmen einer solchen Konferenz kann der Gesundheitsdienst verschiedener Ebenen untereinander sowie mit Ärztevereinigungen und anderen Institutionen Erfahrungen austauschen und gemeinsame Zielstellungen erarbeiten. Aktuelle wissenschaftliche Trends erreichen schneller die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen. Zudem kann eine solche Konferenz Anlass zur verstärkten Öffentlichkeitsarbeit für Impfungen sein.  

Ist-Zustand in Deutschland

Wie Tabelle 2 verdeutlicht, besitzt Deutschland kein qualifiziert gemanagtes Impfprogramm. Derzeit werden Impfquoten in Deutschland nur bei der Einschulung erfasst sowie mittels selektiver Erhebungen. Eine Surveillance impfpräventabler Erkrankungen erfolgt durch die (Labor-)Meldepflicht nach IfSG, durch zusätzlich meldepflichtige Erkrankungen in einigen Bundesländern und selektive Surveillance-Programme (z.B. AG-Influenza, AG-Masern, AG-Varizellen, ESPED). Trotzdem haben sich die Impfquoten im Kindesalter in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert und wesentlich dazu beigetragen, impfpräventable Erkrankungen zurück zu drängen (insbesondere Hepatitis B und Hib) oder erreichte Erfolge aufrecht zu erhalten wie beispielsweise im Fall von Polio und Diphtherie. Allerdings werden Impfungen zu häufig nicht zum empfohlenen frühest möglichen Zeitpunkt verabreicht. Zudem gibt es regional noch erhebliche Impflücken, die sich nicht zuletzt immer wieder in Ausbrüchen manifestieren.

Verbesserungsvorschläge

Länder mit erfolgreichen Impfprogrammen verzichten auf die Impfpflicht zugunsten einer guten Surveillance und eines qualifizierten Managements des Programms. Eine zunehmende Zahl von Bundesländern strebt Vorsorgegesetze an mit Pflichtterminen für Vorsorgeuntersuchungen. Diese können zum Anlass genommen werden, den Impfstatus zu prüfen und Impflücken zu schließen. Die Meldepflicht oder andere Erfassungssysteme sollten auf alle impfpräventablen Krankheiten ausgedehnt werden. Die Einschulungsuntersuchung reicht nicht aus, um ausreichende Informationen über Impfquoten zu erhalten. Neben zusätzlichen Surveys könnten KV-Abrechnungsziffern und einheitliche Dokumentationsschlüssel in der Schutzimpfungsrichtline des G-BA Informationen über Impfquoten liefern.
Der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) sollte seinen Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen viel mehr als bisher dazu nutzen, um Impflücken aufzuspüren und zu schließen. Auch die Kontrolle von Ausbrüchen (z.B. Masern oder Meningokokken) gehört in die Hand eines aufsuchenden ÖGD. Allerdings reicht nicht in allen Bundesländern die Ausstattung des ÖGD derzeit dazu aus, diese Aufgaben zu erfüllen (s. Kasten). (Dittmann/HTR)

Personaldecke im ÖGD ist zu dünn

"Der ÖGD hat sich der Aufgabe, die durch die Neue Influenza A/H1N1 entstanden ist, durch kurzfristige Personalumschichtungen und hohen persönlichen Einsatz gestellt. Dies war nur durch Zurückstellen wichtiger anderer Kernaufgaben möglich, weil seit einigen Jahren durch eine zu kurzsichtige Haushaltssparpolitik mit Stellenabbau und unterdurchschnittlicher Bezahlung nicht mehr genügend Personal im ÖGD vorhanden ist.
Zur Bewältigung einer solchen Situation müssen die bei der Eröffnung des ÖGD-Kongresses in Bielefeld am 7. Mai 2009 geforderten Maßnahmen der Personalstärkung und adäquaten Bezahlung im ÖGD rasch umgesetzt werden."
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. (BVÖGD) anlässlich des Bundeskongresses 7. Mai 2009

Ethische Überlegungen

Wie Marckmann in seinem Vortrag darlegte, sind Impfprogramme wirksame und darüber hinaus auch kosteneffektive Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung. Von einer Impfung profitiert nicht nur die betroffene Person selbst, sondern auch die Gemeinschaft (z. B. via Herdenimmunität). Impfungen können also ein so genanntes öffentliches Gut produzieren, das auch Dritten nützt. Ihr Potenzial Morbidität und Mortalität zu verringern ist aber noch nicht ausgeschöpft. Maßnahmen zur Steigerung der Durchimpfung sind nicht nur ethisch, sondern auch ökonomisch geboten, da mit ihnen in vielen Fällen Kosten eingespart werden können. Daraus ergibt sich die Grundfrage, ob es ethisch vertretbar ist, die Selbstbestimmung des Einzelnen zum Wohle der Allgemeinheit einzuschränken. Und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Jeder Einzelne unterliegt ethischen Verpflichtungen. Hier sind insbesondere die Verpflichtungen relevant, anderen Menschen keinen Schaden zuzufügen (Prinzip des Nichtschadens), und das Wohlergehen anderer Menschen zu fördern (Prinzip des Wohltuns). Quarantänemaßnahmen beruhen beispielsweise auf dem Prinzip des Nichtschadens. Die Verpflichtung, sich impfen zu lassen, um eine Herdenimmunität aufrecht zu erhalten oder zu erreichen, leitet sich hingegen aus dem Prinzip des Wohltuns ab. Handelt es sich um einen hoch kontagiösen Erreger, der eine schwere, ggf. sogar lebensgefährliche Krankheit auslöst, wiegt das Interesse der Allgemeinheit schwerer als bei einem relativ harmlosen Erreger. Ebenso spielen die Merkmale des zur Verfügung stehenden Impfstoffs (z.B. Sicherheit, Wirksamkeit und Kosteneffektivität) bei der Interessenabwägung eine Rolle.

Public Health-Maßnahmen wie z.B. Impfprogramme müssen laut Marckmann verschiedene Anforderungen erfüllen, um eine Einschränkung der individuellen Autonomie zu legitimieren:

  1. Nachgewiesene Effektivität. Ihre Wirksamkeit auf Morbidität und Mortalität der Zielpopulation muss wissenschaftlich mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen sein. Das setzt klar definierte Interventionsziele voraus.
  2. Günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis. Idealer Weise wird ein großer Rückgang der Morbidität und Mortalität mit geringen Belastungen und Risiken für die Teilnehmer an den Präventionsprogrammen erreicht.
  3. Akzeptables Kosten-Nutzen-Verhältnis. Eine Forderung, die sich aus begrenzten öffentlichen Ressourcen ergibt.
  4. Möglichst geringe Restriktivität. Bevor gesetzlicher Zwang angewendet wird, sollte versucht werden, die Teilnahme durch (finanzielle und nichtfinanzielle) Anreize und Steuerungsinstrumente zu erhöhen.
  5. Faire und transparente Entscheidungsverfahren. Vor allem die Bedingungen 2 und 3 erfordern individuelle Bewertungen und Abwägungen, für die es keinen aus der ethischen Theorie ableitbaren Standard gibt. Faire, demokratisch legitimierte und transparente Entscheidungsverfahren sind daher geboten.

In Abhängigkeit von Nutzen, Risiken und Kosten eines Impfprogramms lassen sich mehrere Stufen unterscheiden, die eine zunehmend stärkere Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen rechtfertigen:

Stufe 1: Von der Impfung abraten, keine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).
Stufe 2: Impfung anbieten, keine explizite Empfehlung, eventuell Kostenübernahme durch die GKV. In diesem Fall obliegt es wesentlich der Entscheidung des Einzelnen, ob die Impfung durchgeführt werden soll oder nicht.
Stufe 3: Impfung anbieten und empfehlen, eventuell proaktive Maßnahmen (z. B. Informationskampagnen); Kostenübernahme durch GKV.
Stufe 4: Impfung anbieten, empfehlen und mit (monetären und nichtmonetären) Anreizen (für Versicherte oder Ärzte) versehen, um eine höhere Durchimpfung zu erreichen, selbstverständlich Kostenübernahme durch die GKV.
Stufe 5: Impfung gesetzlich vorgeschrieben, Nichtbefolgung steht unter Strafe, Kostenübernahme durch die GKV oder Steuerfinanzierung.

Konkrete Beispiele

Marckmann zog aus seinem Vortrag das Fazit, dass ethische und pragmatische Argumente gegen eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Masernimpfung sprechen. So ist es beispielsweise in Finnland aber auch in anderen Ländern gelungen, die Eliminierung ohne Impfpflicht zu erreichen. Zudem provoziere eine Pflicht Gegenbewegungen. Er plädierte stattdessen dafür, das Vertrauen in Impfprogramme durch eine proaktive Informationspolitik zu stärken. Der öffentliche Diskurs über Chancen und Risiken des Impfens sollte gefördert werden. Zudem sollten niedergelassenen Ärzte in der Primärversorgung ihre Patienten auf die von der STIKO empfohlenen Impfungen hinweisen. Eine Veröffentlichung von van Delden et al. (Vaccine 26 (2008) 5562-5566), an der Marckmann mit beteiligt ist, kommt für die Influenzaimpfung von Personal im Gesundheitsdienst mit Patientenkontakt zu dem Ergebnis, dass eine Pflichtimpfung begründbar sein kann, sollten freiwillige Impfprogramme die Impfrate nicht mindestens auf 50% anheben können. Konkretes Beispiel war Personal in Betreuungseinrichtungen für Ältere. Die Pflicht, den betreuten Patienten nicht zu schaden, erhielt in der Abwägung Priorität, sofern freiwillige Maßnahmen nicht greifen. Zu den diskutierten "Zwangsmaßnahmen" zählt beispielsweise, Ungeimpften ganz oder zeitweise den Zugang zum Arbeitsplatz zu verwehren. (Marckmann/HTR)

Quellen: Vorträge im Rahmen der 1. Nationalen Impfkonferenz; Schutzimpfungen in Deutschland - Stand, Probleme, Perspektiven. S. Dittmann, Berlin; Impfprogramme im Spannungsfeld zwischen individueller Autonomie und allgemeinem Wohl. G. Marckmann, Tübingen. Marckmann G, Impfprogramme im Spannungsfeld zwischen individueller Autonomie und allgemeinem Wohl. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2008;51(2):175-183; van Delden et al. The ethics of mandatory vaccination against influenza for health care workers. Vaccine 26 (2008) 5562-5566

Kommentar

Aktuell fordert auch die Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. eine Art Impfpflicht nach dem Muster "no vaccination - no school" (Monatsschrift für Kinderheilkunde 157:479-482, April 2009). Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, das Infektionsschutzgesetz so abzuändern, dass der Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung nur dann zulässig ist, wenn Kinder und Jugendliche über einen altersgemäß vollständigen Impfschutz zumindest nach den Empfehlungen der STIKO verfügen (Ausnahme: Kontraindikationen). Die deutliche Stellungnahme der DAKJ für konkrete Änderungen im Impfwesen umfasst noch eine Reihe von anderen Punkten und ist insgesamt sehr begrüßenswert. Vor dem Hintergrund der im vorstehenden Artikel dargestellten ethischen und praktischen Implikationen einer Impfpflicht erscheint in Bezug auf diese Forderung jedoch eine weitergehende Diskussion der verschiedenen Akteure im Impfwesen wünschenswert. Wenn die Fachwelt in sich Einigkeit über den optimalen Weg für bessere Durchimpfungsraten und damit mehr Gesundheit in Deutschland erreicht hat, steigen die Chancen, dass ihre Handlungsempfehlungen von der Politik übernommen werden. (HTR)


Letzte Änderung: 2013-07-05 08:58:08

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20.07.2013

SSPE-Risiko beträgt 1:1.700 bis 1:3.300 unter 5 Jahren

Daten aus dem Erfassungssystem für seltene Krankheiten (ESPED) belegen, dass  zwischen 2003 und 2009 insgesamt 39 Kinder (95% Konfidenzintervall 29,2 - 48) an einer SSPE erkrankt sind. Daraus resultiert bei Kindern unter 5 Jahren ein Risiko von 1:1.700  bis 1:3.300, durch Masern an SSPE zu erkranken (Schönberger et al. PLoS ONE 8(7): e68909) (HTR)

Letzte Änderung: 2013-07-20 09:01:03

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24.07.2013

Masernausbruch in den Niederlanden

Im aktuelle Masernausbruch in den Niederlanden sind zwischen 1. Mai und 18. Juli 2013 insgesamt 466 Fälle gemeldet worden. Wie schon während der letzten Masern-Epidemie 1999/2000, bei der mehr als 3.000 Masernfälle gemeldet wurden, erkranken auch diesmal hauptsächlich Ungeimpfte im so genannten "Bible-Belt". Damals starben 3 Kinder und etwa 150 mussten stationär behandelt werden. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-07-24 10:52:28

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16.09.2013

Masern-Eliminierung: Deutschland bewegt sich!

Aus Anlass aktueller Pressemeldungen rund um die Impfpflicht, stellt der Impfbrief das Editorial der Juli-Ausgabe öffentlich zur Verfügung.

Anfang Juni 2013 äußerte sich Gesundheitsminister Daniel Bahr gegenüber der Rheinischen Post zu fehlenden Masernimpfungen bei Kindern.  Anfang Juli betonte er, dass eine Impfpflicht nur als „letzte Mittel“ in Frage komme (siehe Bildzeitung und Passauer Neue Presse).

Es ist überaus begrüßenswert, dass sich ein Bundesgesundheitsminister zu Impfungen überhaupt äußert, umso mehr, wenn dies befürwortend geschieht. Durch Bahrs Initiative wird eine breite öffentliche Diskussion angestoßen, die wir in Deutschland schon lange benötigen, die bisher aber hauptsächlich in Fachkreisen stattfand. Auch Politiker von CDU und SPD diskutierten eine Pflichtimpfung, wie im Focus vom 13. Juli berichtet. 
Angesehene Medien wie die Zeit, Report aus München (www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/report-juli-100.html?time=13.203) oder heute (ZDF) griffen die Diskussion auf.
Die Gesellschaft für Virologie e.V. (GfV) rief am 11. Juli 2013 Erwachsene zur zweifachen Impfung gegen Masern und Mumps auf (www.g-f-v.org/). Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) forderte am 9. Juli erneut eine Impfpflicht vor der Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung: „Die aktuelle Masernwelle zeigt, dass wir nicht mehr nur auf Freiwilligkeit bei den Eltern setzen können, sondern dass wir endlich eine Impfpflicht brauchen.“ Zuvor war dies wiederholt gefordert worden, u.a. auf dem 109. Deutsche Ärztetag.

Gegenüber dem Impfbrief führte W. Hartmann, Präsident des BVKJ, weiter aus: „Alle Kinder haben ein Grundrecht darauf, durch Impfungen vor solchen Erkrankungen und ihren oft schwerwiegenden Folgen geschützt zu werden. […] Wir fordern den Nachweis einer vollständigen Impfung vor Aufnahme eines Kindes in eine staatlich finanzierte Einrichtung (z.B. Kinderkrippe, Kindergarten, Schule), damit auch solche Kinder vor einer Infektion geschützt werden, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Hier gibt es eine staatliche Fürsorgepflicht (Artikel 24 UN-Kinderrechtskonvention), wenn Eltern nicht alles tun, um ihre Kinder vor gefährlichen Erkrankungen zu schützen. Andere Länder haben uns gezeigt, dass dies gerade bei Masern eine erfolgreiche Methode ist.
[…] In Deutschland haben die Impfempfehlungen der STIKO den Charakter einer Leitlinie und Ärztinnen und Ärzte müssen sehr gute Gründe haben, wenn sie von diesen Empfehlungen abweichen. […] Vertragsärztinnen und -ärzte [haben sich auch an die] Richtlinien des G-BA zu halten.
[…] Wir würden uns von unseren Körperschaften des Öffentlichen Rechts (KVen und Ärztekammern) ein wesentlich nachhaltigeres Eintreten für Impfungen wünschen. […] Die Zulassungsausschüsse z.B. hätten aber die Möglichkeit, Vertragsärzte und -ärztinnen von der weiteren Versorgung von GKV-Patienten auszuschließen, wenn sie die verbindlichen Richtlinien des G-BA nicht umsetzen. Das gilt auch für Hebammen [...].
[…] Das Infektionsschutzgesetz sieht in § 20, Abs. 6, bei einer Ausbreitung von Erkrankungen eine mögliche Pflichtimpfung vor. […] Auch Personen, die beruflichen Kontakt mit Kindern haben (Hebammen, Medizinisches Personal, ErzieherInnen, LehrerInnen), sollten komplett geimpft sein.“

Sind wir Deutschen jetzt pro Pflichtimpfung?

Rückenwind erhalten die Forderungen nach einer Pflichtimpfung durch eine forsa-Umfrage (n=1.002 Befragte) der DAK. Demnach unterstützen ein Fünftel der Bundesbürger eine allgemeine Impfpflicht für Kinder.

Eine BZgA-Studie aus dem Jahr 2010 ergab, dass mehr als ein Drittel der Eltern in Deutschland zumindest Vorbehalte gegenüber Impfungen haben (n=3.002 forsa-Telefoninterviews mit Eltern 0- bis 13-jähriger Kinder: 35% Eltern mit Vorbehalten, 64% Eltern ohne Vorbehalte, 1 % Impfgegner). Zu den Gründen, warum eine Impfung bei Impfskeptikern unterlassen wurde, gehörten zu 41%, dass der Arzt von der Impfung abriet und immerhin zu 15%, dass der Skeptiker die Impfung einfach vergessen hatte. In einer neueren forsa-Umfrage der BzgA 2012 (n=4.483) standen je 4% der 16- bis 85-Jährigen Impfungen ganz ablehnend oder überwiegend ablehnend gegenüber, 31% hatten zumindest gegen einzelne Impfungen Vorbehalte (Vortrag E. Pott, 3. Nationale Impfkonferenz 2013).
Auch in der jetzt viel zitierten DAK-Umfrage sind immerhin 19% gegen eine allgemeine Impfpflicht – im Osten nur 6%, im Norden Deutschlands 26%, in Bayern 28%. Es dürfen berechtigte Zweifel angemeldet werden, wie sich dieses Drittel bei einer Impfpflicht verhalten wird.

Genesen wir am US-amerikanischen Wesen?

Die Vorschläge von D.S. Diekema im Impfbrief vom April 2012 machen deutlich, dass die vielzitierte Praxis „No vaccination – no school“ keinesfalls so starken Einfluss auf die Impfraten in den USA hat, wie hierzulande häufig angenommen.
Die zahlreichen Ausnahmen und Lücken im praktizierten System „No vaccination – no school“ wurden bereits von Dittman während der 1. Nationalen Impfkonferenz (Impfbrief Juli 2009) wegweisend dargelegt. Nach Einschätzung von Dittmann ließe sich außerdem auf Grundlage des IfSG beispielsweise eine Pflichtimpfung gegen Masern keinesfalls umsetzen, allein schon die Zustimmung des Bundesrates hielt er für unrealistisch.
Marckmann erläuterte damals, dass eine allgemeine Impfpflicht gegen Masern ethisch nicht vertretbar sei, während dies bei der Influenzaimpfung von medizinischem Personal unter Umständen zu rechtfertigen sei (siehe auch sein Vortrag in dieser Ausgabe). Und wer möchte während eines Masernausbruchs von ungeimpftem medizinischem Personal betreut werden?

Auch im Nationalen Impfplan Teil B (Seite 50) wird ausführlich dargelegt, warum eine Impfpflicht seit 1982 nicht mehr eingeführt wurde. Wichtigstes Argument ist immer wieder, dass auch Staaten ohne Impfpflicht hohe Masernimpfquoten erreichen, beispielsweise Holland, Finnland, Schweden, Island und Großbritannien weisen Impfquoten zwischen 92 und 99%. Ebenso erreicht übrigens Mecklenburg-Vorpommern seit vielen Jahren Impfraten über 95% für die zweifache Masernimpfung.

Heutzutage steht der Masernimpfpflicht zudem nicht nur die Schulpflicht entgegen, sondern auch das Recht auf einen Kindergartenplatz. Andererseits betont dies die besondere Verantwortung von Betreuungspersonen wie z.B. Kita-Personal oder Lehrern. Während eines Ausbruchs könnte durchaus in Betracht gezogen werden, Ungeimpfte in unbezahlten Urlaub zu schicken.

Sind nur unwillige Eltern schuld?

Unzureichende Impfquoten liegen keineswegs hauptsächlich an den Eltern. Siehe Impfbrief Mai 2008: Während 84% der Kinderärzte (bzw. 82% Allgemeinmediziner) in den neuen Bundesländern angaben, den STIKO-Empfehlungen zu folgen, waren es nur 62% (bzw. 65%) in den alten Bundesländern.

Laut Impfbrief Januar 2010 sind falsche oder defizitäre Informationen eher die Hauptgründe für keine oder eine zu späte Masernimpfungen in Deutschland als eine generelle Ablehnung der Impfung durch die Eltern.

Daten aus Schleswig-Holstein, Impfbrief Januar 2013, zeigen außerdem, dass keineswegs alle Kinder bis zum 2. Geburtstag zwei Mal gegen Masern geimpft sind, geschweige denn bis zum Alter von 16 Monaten. Nachweislich (siehe Abbildung 1) werden die nun verpflichtenden Vorsorgen also nicht ausreichend dazu genutzt, Impfungen zu vervollständigen.

Vergessen und mangelnde Gelegenheit sind der größte Feind

Eine einfache Einladung verdoppelte in Brandenburg fast die Teilnahmerate an der J1 und Schüler, die die J1 wahrgenommen hatten, sind in der 10. Klasse bzw. als Schulabgänger je nach Impfung zwischen 5 und 15% besser durchimpft als Schüler, die nicht an der J1 teilgenommen hatten.(Impfbrief März 2013; Abbildung 3).

Wird nur der Arzt an Impfungen erinnert, können Impfraten bei Hausärzten mit mindestens einer Maserndosis um ca. 20% (bei 18- bis 25-Jährigen) und ca. 100% (bei 30 bis 40-Jährigen) gesteigert werden (Impfbrief April 2013).

Was könnte erst erreicht werden, würden alle impfenden Arztpraxen systematischen Recall praktizieren? Um die immensen Impflücken gegen Masern bei Jugendlichen und Erwachsenen zu schließen, geht allerdings kein Weg an einem geplanten und strukturierten Catch-up-Programm vorbei (Impfbrief April 2013). Allerdings steht der Öffentliche Gesundheitsdienst vor einer Reihe von Problemen, wie in der Ärztezeitung vom 22. Juli ausgeführt.

Kleine Fortschritte

Welche Defizite im deutschen Impfwesen bestehen und welche Lösungsmöglichkeiten es gibt, wurde in jahrelanger Arbeit im Nationalen Impfplan zusammengestellt (Teil A, Seite 9). Ende Juni 2013 hat das Bundesgesundheitsministerium gegenüber der Gesundheitsministerkonferenz die dauerhafte hälftige Finanzierung der Geschäftsstelle für den Nationalen Impfplan offiziell zugesagt. (/www.gmkonline.de/?&nav=beschluesse_86&id=86_09.02) Diese Geschäftsstelle wird von den Bundesländern gefordert, um den Nationalen Impfplan weiter zu entwickeln und umsetzen zu können.

Bundesgesundheitsminister Bahr erläuterte in einem aktuellen Interview, dass gerade Änderungen im Infektionsschutzgesetz geprüft würden. Konkret gehe es darum, den Impfstatus schon vor dem Kita-Besuch zu erfassen. Auch könnten so ungeimpfte Kinder im Fall eines Masernausbruchs befristet von der Kita oder später vom Schulunterricht ausgeschlossen werden. Bisher sei das nur bei erkrankten Kindern möglich.

Fazit: Erst die Hausaufgaben machen!

Der mühsame gesellschaftliche Konsens ist die einzige Alternative. Zahlreiche Institutionen und Experten haben sich in den letzten Jahren damit befasst, wie in Industrieländern Gruppen mit mehr oder weniger starken Vorbehalten gegen Impfungen erreicht werden können (siehe z.B. Impfbrief März 2010, Impfbrief Februar 2011, Impfbrief Januar 2012, Impfbrief Juli 2012). Eine Impfpflicht zieht niemand in Betracht. Vielmehr sind beharrliche Überzeugungsarbeit, Aufbau von Vertrauen in die empfehlenden und impfenden Institutionen, gut erreichbare Informationen und mehrfache Impfgelegenheiten zentrale Vorschläge. Hier haben wir grade erst begonnen, unsere Hausaufgaben zu machen. Noch gilt es in Deutschland, dem Vertrauensverlust der vergangenen Jahrzehnte, verstärkt durch die H1N1-Pandemie, entgegen zu wirken. Jetzt eine Impfpflicht einzuführen, würde unsere Gesellschaft unnötig polarisieren. Unbestritten brauchen wir endlich wesentliche Fortschritte – nicht nur wegen des WHO-Ziels bis 2015 – auch wegen des Ausbaus der Krippenplätze, der mehr junge Säuglinge einem erhöhten Risiko aussetzt (Impfbrief Juni 2012). Allein eine verpflichtende Prüfung des Impfstatus würde die Impfraten gegen Masern je nach Altersgruppe um etwa 10 bis 50% anheben. Bis zur Impfpflicht ist also noch viel Luft. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-09-16 10:14:40

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30.09.2013

PEI bewertet Sicherheit von Masern- und HPV-Impfstoffen neu

"Keine bislang unbekannten Nebenwirkungen vorhanden" lautet die Botschaft im aktuellen Bulletin zur Arzneimittelsicherheit in Kürze.

In die Auswertung wurden alle Verdachtsfälle einer Impfkomplikation oder einer Nebenwirkung nach Impfung mit monovalenten oder kombinierten Masernimpfstoffen (MMR/MMRV) einbezogen, die dem PEI im Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2012 gemeldet wurden. (HTR)

In Japan wurde im Juni 2013 die Empfehlung für die Impfung gegen HPV (Humane Papillomviren) ausgesetzt, bis weitere Erkenntnisse zu fünf Verdachtsfällen eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) und 38 Verdachtsfällen von generellen systemischen Schmerzen vorliegen. Eine Auswertung der Datenbank ergab derzeit in Deutschland kein Risikosignal bezüglich CRPS nach HPV-Impfung.

Das Interesse an der neuen Möglichkeit für Patienten und Verbraucher, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen direkt zu melden, war hoch. In der sechsmonatigen Testphase des Internetportals für Verbraucher vom 2. Oktober 2012 bis 2. April 2013 wurden insgesamt 17.109 Anmeldungen in der Datenbank registriert und 304 valide UAW-Verdachtsfallmeldungen erfasst. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-09-30 15:03:32

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30.10.2013

Poliofälle in Syrien

Am 29. Oktober meldete die WHO, dass sich Verdachtsfälle auf Polio in Syrien bestätigt haben. Erste Labortests wiesen Polio-Wildvirus Typ 1 nach. Bei den 22 Fällen akuter schlaffer Lähmung handelt sind überwiegend um Kindern unter zwei Jahren, die nicht oder unzureichend geimpft sind. Es sind die ersten Fälle im Land seit 1999.
Bereits am 24. Oktober begann eine schon geplante Impfaktion, die 1,6 Millionen Kinder gegen  Polio, Masern, Mumps und Röteln schützen soll - sowohl in Gebieten, die von der Regierung kontrolliert werden als auch in anderen Regionen Syriens.
Bis zum 22. Oktober sind in diesem Jahr weltweit 301 Poliofälle aufgetreten, davon 103 in endemischen Ländern (Nigeria, Pakistan und Afghanistan) und 198 in lokalen Ausbrüchen außerhalb dieser Länder. Somalia war mit 174 Fällen am stärksten betroffen.  (HTR)

Kommentar

Das Verhältnis sichtbar Erkrankter zur Anzahl der Infizierten beträgt bei Polio etwa 1:100. Die Gefahr, dass Poliovirus mit Flüchtlingen nach Deutschland eingeschleppt wird, besteht immer. Das aktuelle Beispiel verdeutlicht nur erneut, wie wichtig eine möglichst zeitnahe medizinische Versorgung (Impfungen!) für Flüchtlinge ist und dass die Grundimmunisierung der Bevölkerung in Deutschland weiter auf hohem Niveau aufrechterhalten werden muss. Eine ausführliche Übersicht über den Impfstatus und Ausbrüche in Asylbewerberheimen gab G. Pfaff während der 2. Nationalen Impfkonferenz (http://www.nationale-impfkonferenz.de/doc/berichtsband_2nik.pdf). (HTR)

Letzte Änderung: 2013-10-30 10:11:22

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30.10.2013

Registrierung zur online-"Eurovaccine" (06.11. 2013) eröffnet

Die ECDC-Konferenz "Eurovaccine" findet nach 3 Jahren Pause wieder statt.  Sie ist angegliedert an die ESCAIDE. Die online-Teilnahme am 6. November 2013 von 9:00 bis 17:00 ist kostenfrei.
Programm
Registrierung
(HTR)

Letzte Änderung: 2013-10-30 17:32:07

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18.11.2013

Deutsche sind für Impfungen

Die Impfwilligkeit der Deutschen ist besser als ihr Ruf:
74 Prozent der Eltern mit Kindern unter 20 Jahren lassen bzw. ließen ihre Kinder im Babyalter gegen alles  impfen, was (damals) empfohlen wurde. Einige Impfungen ausgelassen haben 16 Prozent, nur sehr wenige (0,4 Prozent) haben alle Impfungen unterlassen.
Das ergab eine aktuelle Umfrage des Instituts Allensbach im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die vergangenen Freitag, den 15.11.2013 veröffentlicht wurde (www.ifd-allensbach.de/uploads/tx_reportsndocs/PD_2013_10.pdf). Befragt wurden 1.269 Personen ab 16 Jahren im Herbst 2013.
Die Umfrage ergab allerdings auch, dass  43 Prozent der Bürger ihren aktuellen Impfschutz nicht kennen.

Einen umfassenden Einblick in die Motive und das Wissen rund um das Impfen und Hygiene gibt die repräsentative Befragung aus dem Jahr 2012. Dazu wurden 4.483 Bürgerinnen und Bürger zwischen 16 bis 85 Jahre befragt (http://bit.ly/1gXvr8b). Die Mehrheit der Bevölkerung (61%) bezeichnet sich darin als Impfbefürworter. 31 Prozent haben teilweise Vorbehalte und 8 Prozent eine eher ablehnende Haltung gegenüber dem Impfen. Immerhin ein Fünftel der in den letzten fünf Jahren Geimpften hat sich impfen lassen, um jemand anderen zu schützen. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-11-18 09:16:22

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28.11.2013

Sachsen will Impfen stärker fördern

Heute (28.11.2013) beschloss der sächsische Landtag, Daten über Impfraten insbesondere bei Personal in Schulen und Kitas zu sammeln und das Impfen insgesamt zu fördern - landesweit, aber auch bundesweit.

Anja Jonas, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag erläuterte, dass die aktuelle Impf-Diskussion sowie die nach langer Zeit in Sachsen wieder vermehrt auftretenden Masernfälle Anlass für den gemeinsamen Antrag (DRS 5/13063) der regierenden Fraktionen FDP und CDU waren.

"Zudem brauchen wir eine Diskussion, inwieweit auch das Personal in unseren Kitas, Schulen und Horten Verantwortung trägt und entsprechend geimpft ist. [...] da nicht jedes Kind unter anderem aufgrund des Alters immer sofort gegen alles geimpft werden kann.", erläuterte Jonas. Sie rechnet damit, dass die angeforderten Berichte in zwei bis drei Monate vorliegen.

Bereits im Vorfeld äußerte sich die Sprecherin des Datenschutzbeauftragten (Carola Schneider) auf eine Presse-Anfrage kritisch zum Vorhaben, Impfraten des Personals zu erheben:

"Soweit es sich um eine begründbare arbeitsvertragliche Nebenpflicht handelt, dürfen Bedienstete befragt werden. Entscheidend ist arbeitsrechtlich das Fragerecht des Arbeitgebers. Das ist allerdings einzelfallabhängig vom Arbeitsplatz zu entscheiden. Der Arbeitgeber befragt grundsätzlich nach Erforderlichkeit, soweit es keine gesetzlichen Schutzvorgaben - wie etwa nach dem Infektionsschutzgesetz - gibt. Ein gesetzliches Tätigwerden hält der Sächsische Datenschutzbeauftragte in Anbetracht der Impfrate nicht für erforderlich." (HTR)

Letzte Änderung: 2013-11-28 17:52:18

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02.12.2013

RKI veröffentlicht aktuelle Masern-Epidemiologie

Fast jeder zehnte Masernkranke (9%) ist inzwischen 40 Jahre alt oder älter. Auch zweimalig Geimpfte können selten erkranken. Genau hinschauen ist jedoch wichtig: Häufig waren dies Personen, die eine postexpositionelle Impfung erhalten hatten. Diese und weitere Daten im Epidemiologischen Bulletin 48/2013 (HTR)

Letzte Änderung: 2013-12-02 17:50:08

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09.12.2013

STIKO: Noch keine Empfehlung zu Meningokokken-B-Impfstoff

Im heute erschienen Epidemiologischen Bulletin 49/2013 begründet die Ständige Impfkommission, warum sie derzeit noch keine Empfehlung zum Einsatz des Meningokokken-B-Impfstoffs (Bexsero®) abgibt. Die Wirksamkeit des Impfstoffs wird nicht in Frage gestellt, offen sei aber unter anderem wie lange der Impfschutz anhalte, ob die Trägerrate beeinflusst werde und wie diese Impfung in der Kinderimpfplan eingebaut werden könne.

Die STIKO weist gleichzeitig darauf hin, dass eine fehlende Empfehlung NICHT gegen den individuellen Einsatz des spreche. Unter anderem für (Haushalts-)Kontaktpersonen von Patienten mit einer invasiven Meningokokken-B-Infektion, aber auch für gesundheitlich gefährdete Personen, z. B. solche mit Asplenie oder Komplementdefekten, könne die Impfung sinnvoll sein. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-12-09 17:37:54

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15.12.2013

Masernausbruch in der Türkei

Mehr als 7.000 Masernfälle sind in der Türkei zwischen Januar und September 2013 aufgetreten (EpiData9-2013). Viele Fälle seien aus dem Süden des Landes gemeldet worden, berichtete die CDC unter Berufung auf die Weltgesundheitsorganisation. Im Jahr zurvor wurden 700 Fälle registriert. Daten zum Ursprung des Ausbruchs liegen nicht vor. Neben Deutschland verzeichneten innerhalb der WHO-Region "Europa" auch Georgien, Großbritannien, Italien, Rumänien, die Niederlande und die Ukranie große Ausbrüche mit mehr als 1.000 Fällen. (HTR)

Letzte Änderung: 2013-12-15 09:18:45